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Im Vergleich zu dem Gesetz der Großen Koalition aus dem Jahr 2021 stellen die neuen Regelungen bei den Mitarbeiterbeteiligungen deutliche Verbesserungen dar. Die damaligen Änderungen wurden allgemein als nicht praxistauglich und nicht weitgehend genug kritisiert. Diese Kritik hat die Ampelregierung nun aufgegriffen und Mitte August den Entwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetzes beschlossen. In diesem Beitrag stelle ich Ihnen diese neuen Regelungen vor dem Hintergrund der verschiedenen Formen der Mitarbeiterbeteiligungen vor und analysiere diese kritisch.
Einordnung
Um die neuen Regelungen besser einordnen zu können, müssen Sie zwischen „echten“ und „virtuellen“ Beteiligungen unterscheiden. Sie erinnern sich:
„Echte“ Beteiligung ist der Erwerb eines Geschäftsanteils an einer GmbH oder von Aktien an einer AG. Darunter fallen auch Aktienoptionen, also die Möglichkeit, Aktien künftig zu erwerben (Stichwort: bedingtes Kapital). Bei GmbHs kommen diese allerdings nicht vor.
Eine „virtuelle“ Beteiligung unterscheidet sich in dem Sinne von einer echten Beteiligung, dass es keine Kapitalbeteiligung ist und somit ein Mitspracherecht an Unternehmensentscheidungen ausgeschlossen ist. Es ist lediglich eine vertragliche Vereinbarung ähnlich einer Bonusvereinbarung. Den Bonus erhält der Mitarbeiter z.B. beim Verkauf eines Startups.
Zur Verdeutlichung möchte ich Ihnen die Struktur einer „virtuellen“ Beteiligung anhand einer Grafik darstellen:
Virtuelle Mitarbeiterbeteiligung

Kernpunkte
Die Kernpunkte des neuen Gesetzentwurfs sind:
- Der Steuerfreibetrag wird von € 1.440 auf € 5.000 pro Jahr erhöht.
- Arbeitsentgelt kann weiterhin in Mitarbeiterbeteiligungen umgewandelt werden (bis zu einer Obergrenze von € 2.000 pro Jahr).
- Der Arbeitgeber kann die Haftung des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin für die Steuer übernehmen.
- Die sog. „Dry-Income-Problematik“ wird durch eine erhebliche Ausweitung der Unternehmen, die in den Anwendungsbereich von § 19a Einkommenssteuergesetz („EStG“) fallen, deutlich entschärft.
„Dry-Income-Problematik“ bedeutet, dass beschäftigte Mitarbeiter eines Unternehmens eine Beteiligung an diesem erhalten, Geld fließt zu diesen Zeitpunkt noch nicht. Trotzdem müsste der Mitarbeiter diesen „Vermögenszuwachs“ eigentlich versteuern. Um hier einen Ausgleich zu schaffen,wird die Steuer „in die Zukunft verschoben“, mit anderen Worten, sie muss zunächst nicht gezahlt werden.
Künftig fallen auch Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen und Unternehmen, die bis vor 20 Jahren gegründet wurden, in den Anwendungsbereich von § 19a EStG. Deren Mitarbeiter können sich also auf den „Steueraufschub“ berufen. Zudem wird der Beobachtungszeitraum, in dem die Schwellenwerte nicht überschritten werden dürfen, von zwei auf sieben Jahren erweitert.
Zudem gelten die neuen Regelungen auch bei der Beteiligung an Gesellschaften, die dem selben Konzern angehören, und bei der Beteiligung durch die Gesellschafter.
- Die Besteuerung erfolgt
- bei Weitergabe an Dritte
- bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Ausn.: der Arbeitgeber übernimmt die Haftung)
- automatisch nach 20 Jahren (nicht wie bisher nach 12 Jahren).
- Schließlich wird die Möglichkeit einer Pauschalbesteuerung in Höhe von 25 % geschaffen.
Deutliche Verbesserungen
Wie auch viele Verbände begrüßen, stellen diese Änderungen deutliche Verbesserungen dar. Durch die Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 19a EStG werden die Regelungen auch viel praxistauglicher.
So wird der Steuerfreibetrag auf € 5.000 € pro Jahr erhöht, womit wir uns im europäischen Vergleich uns nun im „Mittelfeld“ bewegen. Zum Vergleich: So liegt z.B. die Grenze in Österreich bei € 4.500, in England bei GBP 4.000 und in Spanien sogar bei € 12.000.
Schließlich besteht jetzt die Möglichkeit, dass der Arbeitgeber die Haftung des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin für die Steuer übernehmen kann. Dadurch werden die Realisierungstatbestände deutlich entschärft.
Trotzdem Kritik
Viele Verbände kritisieren aber, dass die bestehenden gesetzlichen Regelungen (hier: § 19a Abs. 5 EStG), um den Wert einer Mitarbeiterbeteiligung zu ermitteln, zu kompliziert und praxisfern sind. Derzeit muss das zuständige Finanzamt den Wert im Rahmen einer Anrufungsauskunft bestätigen.
Dies ginge an den Erfordernissen der Praxis vorbei, da das Startup erst Fakten schaffen muss und erst im nachhinein sieht, in welcher Höhe tatsächlich Steuern anfallen.
Zudem ist diese Entscheidung des Finanzamts des Unternehmens für das Finanzamt, das für die Einkommenssteuer des Mitarbeiters zuständig ist, nicht bindend. Dies bedeutet, dass dieses Finanzamt den Wert der Beteiligung anders einschätzen kann.
Meine Einschätzung
Meine Hauptkritik besteht darin, dass auch die neuen Regelungen nicht für „virtuelle“ Beteiligungen gelten. Dies, obwohl 3 von 4 Startups diese Form der Mitarbeiterbeteiligung wählen. Damit gehen diese Änderungen an den Erfordernissen der Praxis vorbei.
Zudem sollten die Regelungen zwischen den verschiedenen zuständigen Finanzämtern aufeinander abgestimmt werden, da ansonsten keine Rechtssicherheit erreicht wird.
Schließlich ist die automatische Besteuerung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu starr. Dies erschwert sowohl dem Startup als auch dem Mitarbeiter eine Kündigung.
Sollte das Startup oder der Mitarbeiter kündigen, fällt die Steuer auf die Mitarbeiterbeteiligung an – dies unabhängig davon, ob dem Mitarbeiter aus der Beteiligung tatsächlich Geld zugeflossen ist (Stichwort: „Dry Income“). Nach der neuen Regelung ist es möglich, dass das Startup die Lohnsteuer übernehmen kann. Dies ändert aber nichts daran, dass die Steuer anfällt, sie wird lediglich auf die Startups verschoben.
Fazit
Die Reform der Mitarbeiterbeteiligung ist ein guter und überfälliger Schritt in die richtige Richtung. Die neuen Regelungen gehen jedoch immer noch nicht weit genug und müssen weiter verbessert werden, vor allem müssten diese auch auf „virtuelle“ Beteiligungen anwendbar sein. Trotzdem ist es eine wichtige und richtige Entscheidung, die Mitarbeiter am eigenen Unternehmen zu beteiligen. Falls Sie dies erwägen, unterstütze ich Sie gerne bei der Umsetzung.
Über den weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahren halte ich Sie selbstverständlich auf dem Laufenden.