News StartUp Beratung

Urteil des OLG Zweibrücken – kein Schutz vor Rechtsunsicherheit

Lesedauer: 8 Minuten

Wandeldarlehen sind ein bei Startups und Investoren beliebtes Finanzierungsinstrument. Allerdings besteht bei ihnen Rechtsunsicherheit bezüglich ihrer Form, also ob sie schriftlich geschlossen werden können oder ob sie vor einem Notar unterzeichnet werden müssen. In der Praxis wird aus Kostengründen oft auf den Termin vor dem Notar verzichtet. Das OLG Zweibrücken hat sich im letzten Jahr mit diesem Thema beschäftigt und hat hierzu ein Urteil gefällt, das bei Startups und Investoren zu weiterer Verunsicherung geführt hat. Ich stelle Ihnen das Urteil hier vor, ordne es ein und gebe Ihnen Praxistipps für Wandeldarlehen.

StartUp Beratung Urteil kein Schutz vor Rechtsunsicherheit - Rechtsanwalt Norman Stegemann - Ihr Rechtsanwalt für Wirtschaftsrecht, IT-Recht, AGB-Recht, Energierecht in Königstein/Taunus, Bad Soden, Frankfurt

Sachverhalt

Bei dem Urteil des OLG Zweibrücken geht es um Schadensersatzansprüche gegenüber dem Geschäftsführer, der den Insolvenzantrag zu spät gestellt haben soll. Diese Schadensersatzansprüche macht der Insolvenzverwalter für die betroffene GmbH geltend.

Ein Jahr vor der Insolvenz schloss die GmbH zwei inhaltsgleiche Wandeldarlehen in Höhe von jeweils 100.000 € mit zwei Darlehensgebern, die aber nicht zugleich Gesellschafter der GmbH waren. Die beiden Wandeldarlehen sahen eine Wandlungsverpflichtung vor. Dies bedeutet, dass die zurückzuzahlenden Darlehensbeträge im Rahmen einer Kapitalerhöhung in Geschäftsanteile an der GmbH umgewandelt werden sollten. Zudem enthielten die beiden Wandeldarlehen eine sogen. „Rangrücktrittsklausel”, d.h. eine Klausel, mit der die Ansprüche der Darlehensgeberin hinter den Ansprüchen anderer Gläubiger zurücktreten. Eine solche Klausel ist notwendig, um eine Insolvenz der GmbH zu vermeiden.

Der Geschäftsführer und die Mehrheitsgesellschafterin der GmbH beriefen sich darauf, dass die beiden Wandeldarlehen wegen eines Formmangels unwirksam seien und verweigerten dementsprechend die Durchführung der vereinbarten Kapitalerhöhung und die Schaffung der (neuen) Geschäftsanteile. Daraufhin verlangten die Darlehensgeber die Rückzahlung der insgesamt 200.000 €, die aber nicht erfolgte.

Entscheidung und deren Begründung

Das Landgericht Frankenthal hatte die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht Zweibrücken ("OLG") gab der Klage hingegen statt.

Dabei verwies das OLG zum Einen darauf, dass eine Überschuldung und eine mangelnde Fortführungsprognose vorgelegen habe. Zum Anderen darauf, dass die Wandeldarlehen aufgrund eines Formmangels nicht wirksam geschlossen worden seien.

Der Grund für den Formmangel liege darin, dass die (neuen) Geschäftsanteile nicht bei einem Notar übernommen worden seien. Zum Hintergrund: Bei einem Wandeldarlehen wird eine Kapitalerhöhung durchgeführt, d.h. das Stammkapital der GmbH wird z.B. von € 25.000 auf € 30.000 erhöht. Diese 5.000 Geschäftsanteile (im Nennwert von je € 1) werden im Rahmen der Kapitalerhöhung neu geschaffen und müssen von der bisherigen Darlehensgeberin (= neuen Gesellschafterin) übernommen werden. Sie muss also bestätigen, dass sie das Eigentum an diesen Geschäftsanteilen erwerben möchte.

Das Gericht ging also davon aus, dass bereits die Verpflichtung zur Abgabe der Übernahmeerklärung notariell zu beglaubigen oder zu beurkunden sei. Es leitete dies aus § 55 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung ("GmbHG") her.

Zudem hätte auch der Gesellschaftsbeschluss, mit dem die Gesellschafter die Unterzeichnung des Wandeldarlehens ermächtigt haben, gemäß § 53 Abs. 2 GmbHG notariell beurkundet werden müssen.

Diese beiden Paragraphen, die das OLG zur Begründung seiner Entscheidung heranzieht, beziehen sich nicht ausdrücklich auf Wandeldarlehen, sondern eigentlich auf Änderungen des Gesellschaftsvertrags (genauer: auf die Form einer Satzungsänderung (§ 53 GmbHG) und auf die Erhöhung des Stammkapitals (§ 55 GmbHG)). Im Ergebnis weitet das OLG den Anwendungsbereich dieser beiden Normen aus und wendet diese (analog) auf das Wandeldarlehen an.

Kritik

Zu dieser Frage werden in der Literatur verschiedene Meinungen vertreten. Diese im Einzelnen darzustellen und zu analysieren würde an dieser Stelle jedoch zu weit führen.

Im Folgenden möchte ich deshalb nur auf zwei Punkte eingehen, die meiner Einschätzung nach in der Argumentation des OLG unberücksichtigt bleiben:

(i) in § 55 Abs. 1 GmbHG geht es ausdrücklich nur um die Übernahmeerklärung, nicht um die Verpflichtung zur Abgabe einer Übernahmeerklärung (und das GmbHG unterscheidet an anderer Stelle klar zwischen der Verpflichtung und der Durchführung der Verpflichtung, so z.B. bei § 15 Abs. 4 GmbHG bei dem Kauf und der Abtretung von Geschäftsanteilen; wenn der Gesetzgeber dies an dieser Stelle anders geregelt hat, spricht meiner Einschätzung nach viel dafür, dass er nur für die Übernahme selbst die strengeren Vorgaben der notariellen Beglaubigung oder Beurkundung vorsehen wollte);

(ii) wenn alle Gesellschafter zugleich den Darlehensvertrag unterzeichnen (was in der Praxis regelmäßig der Fall ist), dann handelt es sich um einen sogen. „Stimmbindungsvertrag”, also eine Vereinbarung, mit der die Gesellschafter ihr künftiges Abstimmungsverhalten in einer Gesellschafterversammlung regeln – und diese kann ohne besondere Form geschlossen werden. Im Ergebnis geht es auch bei der Wandlungsverpflichtung um ein solche Vereinbarung zu einem künftigen Abstimmungsverhalten, so dass dies eigentlich nicht anders beurteilt werden dürfte.

Praxistipps

Unabhängig von der – meiner Einschätzung nach berechtigten – Kritik an der Entscheidung des OLG muss diese bei der Beratung von Startups und Investoren berücksichtigt werden. Danach muss man also derzeit beim Wandeldarlehen verschiedene Konstellationen unterscheiden:

  • ist der Darlehensgeber bereits Gesellschafter der GmbH, dann kann das Wandeldarlehen ohne notarielle Beglaubigung oder Beurkundung abgeschlossen werden;
  • wenn der Darlehensgeber noch nicht Gesellschafter ist, ist nach der Entscheidung des OLG die Unterschrift der Darlehensgeberin notariell zu beglaubigen;
  • wenn alle Gesellschafter das Wandeldarlehen unterschreiben, ist kein Gesellschaftsbeschluss, mit dem die Geschäftsführung zur Unterzeichnung des Wandeldarlehens ermächtigt wird, erforderlich;
  • wenn hingegen die Gesellschafter nicht Partei des Wandeldarlehens sind, sollte ein solcher Gesellschaftsbeschluss gefasst werden – und nach der Entscheidung des OLG muss dieser auch notariell beurkundet werden; und
  • wenn die Wandlungsverpflichtung wegen Formmangels unwirksam ist, ist nach dem OLG eine Aufteilung in einen Darlehensteil und einen Wandlungsteil nicht möglich, vielmehr ist der gesamte Vertrag unwirksam – und damit auch die (qualifizierte) Rangrücktrittserklärung (was wiederum gravierende Auswirkungen auf die finanzielle Situation der GmbH hat, da dies zu einer Insolvenz und damit auch zu einem Haftungsrisiko für den/die Geschäftsführer führen kann)

Fazit

Die Entscheidung des OLG Zweibrücken hat nicht dazu geführt, die Rechtsunsicherheit bei Startups und Investoren zu beseitigen. Dies kann erst durch ein Urteil des BGH geschehen, was aber wohl noch einige Zeit auf sich warten lassen wird. Bis dahin muss man – wenn man eine größtmögliche Rechtssicherheit erreichen möchte – das Wandeldarlehen notariell beurkunden lassen.

Sollte man bei der Entscheidung, ob das Wandeldarlehen beglaubigt oder beurkundet werden soll, das Risiko eines Formmangels in Kauf nehmen, dann empfiehlt es sich, dies bei den Gesprächen mit dem Investor offen und transparent anzusprechen und hier zu einer gemeinsamen Entscheidung zu kommen.